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Analog - die Frage nach dem Wieso

  • Autorenbild: Sven Edel
    Sven Edel
  • 28. Juni
  • 16 Min. Lesezeit

ein "Look", der digital nur schwer nachgeahmt werden kann

Leica MP Cinestill 400D


Im Jahr 2025 kann man schonmal die Frage anstellen, weshalb man heute noch analog fotografieren sollte. Auf Film, limitiert durch 36 Bilder und ISO-Werten, die heutige Digitialkameras müde lächeln lassen. Keine Bildvorschau auf dem Bildschirm, mangels Bildschirm und natürlich wegen des - irgendwo zwischen Aufnahme und Ergebnis liegendem - Entwicklungs- und Vergrößerungsprozess, heute wohl eher Digitalisierungsprozess. So liegen zwischen dem Drücken auf den Auslöser und dem Wissen, ob das Bild so geworden ist, wie man es sich gewünscht hat, manchmal auch, ob es überhaupt etwas geworden ist, schonmal Wochen. Außerdem ist die analogen Fotografie mit ihren ganzen Chemikalien im Hinblick auf ökologische Nachhaltigkeit eher so mittelgut, positiv formuliert.


Böse Zungen sagen zudem:


"Du fotografierst analog, um die Bilder dann digital zu haben?

Dann fotografier halt direkt digital."


Bis hierhin steht noch nicht allzu viel auf der Habenseite. Also garnichts. Doch das wäre zu kurz gesprungen, viel zu kurz., und sehr einseitig argumentiert. Ach ja, hatte ich die Bildqualität erwähnt, die (natürlich?) nicht mit modernen Sensoren mithalten kann? Und die Preise für Film, Entwicklung und Scan? Nein? Gut so 😅


Bildqualität sagt meiner Meinung nach recht

wenig über die Qualität des Bildes aus 😉


Nun denn, es gibt wohl einen Punkt, den alle Analogfotografen eint: das Ergebnis, ja man könnte regelrecht sagen "das Bild" ist nur ein Teil des Gesamtprozesses "analoge Fotografie". Wie so oft, will ich auch hier ganz vorne starten. Let's go:


Vor etwa 14 Milliarden Jahren begann alles Sein mit dem Urknall... 💥


Vielleicht doch nicht ganz vorne. Na ok, spulen wir etwa 13,999999971 Milliarden Jahre vor, also ins Jahr 1996. In dem Jahr habe ich meine erste bewusste Erfahrung zum Thema Fotografie gemacht. Wir waren im Urlaub in der Türkei und ich hatte eine Point & Shoot mit, als es den Begriff noch garnicht gab, also eine Einwegkamera, seinerzeit natürlich noch mit Film.


Randnotiz:

Gibt es digitale Einwegkameras?


Die Digitalfotografie war zwar erfunden, aber bei weitem noch nicht in der Masse angekommen. Und so war es nicht irgendein cooler, entschleunigter Prozess, der mich zur Filmfotografie brachte. Es gab halt nix anderes. Das war Fotografie. Keine Option. Nun war ich gerade mal 7 Jahre alt und musste mich nur mit dem Motiv und dem Auslösen beschäftigen. Dass danach entwickelt werden musste, Abzüge bestellt und auch bezahlt wurden, war mir mehr oder minder egal und ging ja nicht auf meinen Nacken. So sagen es die jungen Leute heute, oder?


Apropos, übrigens hört man recht häufig von Fotografen, die analog gestartet haben, weil sie es mussten, die Frage, weshalb man sich das heute noch antut. Diese Fotografen sind viel zu froh, dass sie nicht mehr auf eine Rolle Film beschränkt sind, nicht mehr auf den Film warten müssen, bis er entwickelt ist, und und und. Ja, tatsächlich. Wenn ich an meine Bubble denke, sind es ganz überwiegend Fotografen, also die, die heute analog fotografieren, die es nie machen mussten, sondern sich bewusst dafür entschieden haben. Ausnahmen bestätigen auch hier die Regel. Fakt ist, wer heute einen Film einlegt, ist nicht selten jünger oder gar erheblich jünger als ich. Und ich bin, jetzt wo ich diese Zeilen schreibe, 36 Jahre alt, also quasi eine Filmrolle,... Kleinbild, versteht sich 🎞️😉 #Steuerberaterhumor


Mir fällt gerade auf, dass ich schon eine ganze Menge geschrieben habe, weshalb es eigentlich ziemlich unsinnig ist, heute noch auf Film zu fotografieren und recht wenig, weshalb man es denn tun sollte.


Ich versuch's mal...


Das Bild


... der Kern dessen, weshalb wir die Kamera in die Hand nehmen. Oder statt Punkt lieber Fragezeichen? Dazu später...


Zwei Gründe - oder besser zwei Beispiele für einen ganz wesentlichen Grund - habe ich weiter oben schon genannt, ohne auch nur ein Wort zu schreiben. Die Bilder! Die Bilder wirken anders. Nicht zwingend besser, vor allem nicht in einem technischen Sinne, aber auf alle Fälle anders. Ob man dieses anders mag, muss jeder für sich selbst entscheiden. In Zeiten voller HDR-ich-kann-diese-scheiß-iPhone-Bilder-nicht-mehr-sehen-Bilder, die alle gleich überschärft und "perfekt" aussehen - solange sie auf dem kleinen Smartphonebildschirm angesehen werden - empfinde ich das Unperfekte als willkommene Abwechslung.


Bilder auf Film sind jedoch nicht zwingend technisch schlechter oder gar schlecht, wie man beispielhaft wunderbar an den beiden Aufnahmen aus unserem Winterurlaub 2024 erkennen kann.


Eibsee in Grainau

Kodak Ektachrome E100


auf der Zugspitze / Sonnalpin

Kodak Gold 200


Ich lasse mich mal zu einer wagen These hinreißen: ob diese zwei Bilder analog oder digital entstanden sind, erkennt man nur schwer und auf dem Smartphone annähernd garnicht und spielt für den Betrachter auch keine ernsthafte Rolle, da ihn - oder sie - nur das Bild interessiert.


Huch, den Betrachter interessiert nur das Bild?* Und der Betrachter erkennt den Unterschied zumeist garnicht? Spricht mal wieder nicht für analog...


* es gibt natürlich gerade in unserer Bubble auch viele Betrachter, die der Weg zum Bild interessiert


Wenn der Betrachter den Unterschied schon nicht erkennt, muss ich ihn wenigstens erkennen, oder? Und das ist tatsächlich so. Zumindest bei meinen eigenen Bildern. Die Bilder, die ich auf Film mache und gemacht habe, weiß ich viel besser ein- und zuzuordnen. Bei den meisten Rollen weiß ich noch genau wann und in welcher Situation die Bilder entstanden. Dies führt neben der Bildanmutung, neudeutsch Look, eben auch dazu, dass die einzelnen Bilder einen höheren Stellenwert für mich haben, als deren digitales Pendant.


Nun aber zur Bildanmutung, dem Look, für den die Filmfotografie so bekannt ist und auch extrem gehypt wird. Vorweg sollte hierbei zwischen Farbe und Schwarz-Weiß unterschieden werden.


Farbe


Farbige Bilder auf Film aufzunehmen ist ein wenig anders, als die Motive auf einen Sensor zu bannen. Digital belichtet man auf die hellen Bereiche, um diese nicht ausbrennen zu lassen. Bei Film ist es genau anders herum. Es werden die dunklen Bereiche des Motivs gemessen, um auch Licht in diesen Bereich einzufangen. Denn - und das ist denkbar einfach nachzuvollziehen - dort, wo kein Licht auf den Film kommt, kann in der Entwicklung auch nix sein. Hierbei kann man bei Negativfilm nach meiner Erfahrung großzügig sein. Zwei, drei Blenden überbelichtet schaden kaum bis garnicht. In Teilen, und das hängt vom jeweiligen Film ab, führt dies sogar zum typischen Filmlook, den viele unbedingt suchen, dem Pastelllook.


Insgesamt empfinde ich Filmfotos als wärmer, man könnte sagen gefälliger. Sie wirken nicht wie eine kühle Dokumentation der Realität, sonder fangen vielmehr das Gefühl ein, das man im Moment des Auslösens hatte.


Wie zum Beispiel bei nachfolgendem Bild. Wir waren im Herbst in Holland in Urlaub und hatten ein traumhaftes Strandhäuschen gemietet. Von der einen Woche, die wir vor Ort waren, hatten wir einen Tag so richtig ekeliges Herbstwetter, bewölkt, nebelig, nass, windig... der Regen krachte einem annähernd waagerecht ins Gesicht... das war toll! An diesem Tag schnappte ich mir meine Regenjacke und ging mit der Leica MP bewaffnet auf einen Weg am Meer entlang. Es war laut, nicht nur wegen dem Regen auf der Jacke, sondern auch, weil die Wellen gegen die Steine krachten. Für mich, der sein Arbeitsleben im Büro verbringt, ein roher, echter Moment. Und ja, das war toll!


Leica MP

Kodak Portra 800


Vielleicht empfinde nur ich es so, aber das Selfie, dass ich dort draußen im Regen gemacht habe, wirkt trotz grauem Herbstwetter so garnicht grau. Hier vermute ich, dass das gleiche Bild in digital einfach "ekelig" gewirkt hätte. Denn es hätte die nackte Realität, also den Regen und Wind, schlicht schlecht dastehen lassen. Es hätte zu "dokumentarisch", vielleicht sogar "steril", gewirkt.


Der Pastelllook


Oh yes, baby! Gimme more of that!


Das ist es wohl, was viele wollen, die in die Analogfotografie einsteigen. Farben, die nach Wasserfarbe aussehen und regelrecht cremig wirken. Farben, die ich selbst digital so noch nie gesehen habe, auf Film jedoch schon äußerst häufig.


Eine technische Beschreibung des Pastelllooks hat meinfilmlab vorgenommen und den way to go beschrieben.


Ich selbst fühle, ja richtig: fühle, den Pastelllook wie folgt:


Der Bildlook ist ein "ich-fühl-mich-gut-Look 😌" oder auch "ich-habe-eine-tolle-Zeit-Look 🥳". Das ist es, was mir diese speziellen Farbtöne widerspiegeln. Die Bilder wirken warm, gemütlich und gefühlvoll. Es fühlt sich gut an diese pastelligen Bilder anzusehen und ich sehne mich extrem nach der Zeit zurück, in der die Bilder entstanden sind oder erfreue mich den Zeiten, die zu solchen Bildern führen (werden). Der Pastelllook transportiert schlicht und ergreifend ein Wohlfühlgefühl 🥰


Emotionaler Bullshit? Möglich! Ist mir aber egal. It is, as it is.


Leica MP

Kodak Gold 200


Farben "bei Licht"


Bei einem Film die Lichter ausbrennen zu lassen ist schon eine Challenge, so ganz anders als bei einem (digitalen) Sensor.* Das führt dazu, dass ich Fotos vom Himmel auf Film liebe. Ja, liebe. Das ist nicht überzogen und komplett anders als digital. Die Farben wirken... gefälliger. Ein so subjektives Wort. Logo, wie das gesamte Thema Fotografie, ist es auch hier Geschmackssache.


* leider sparen Hersteller wohl an Emulsionen, was den Dynamikumfang etwas einschränkt; zumindest im Vergleich zu den bisherigen Filmen. Die Quintesenz bleibt jedoch wie oben erzählt


Leica MP

Kodak Gold 200


Leica MP

Kodak Portra 400


Und noch einmal mit etwas mehr "Kontext":

Leica MP

Kodak Portra 400


Sehe nur ich diesen tollen Himmel, der so "echt" und schön wirkt? Gerade beim letzten Bild aus unserem Garten mischt sich der wunderschöne Blauton des Himmels mit den Pastellfarben, die unser Bäumchen im späten Frühling für uns bereithielt. Digital habe ich kein einziges vergleichbares Bild aus dem Garten.


Schwarz-Weiß


Die Filmfotografie in Schwarz-Weiß und natürlich auch Grautönen komplettiert für mich den analogen Prozess. Wieso? Schwarz-Weiß entwickle ich selbst zu Hause. Das ist, wenn man es denn schafft den Film aufzuspulen, auch kein richtiger Akt. Dazu später mehr unter "Der Prozess".


Ich selbst bin kein ausgewiesener, riesengroßer Freund von Schwarz-Weiß-Fotografie auf Film. Wieso? Die Ergebnisse in SW auf Film sind die Ergebnisse, die ich auch digital am ehesten nachstellen kann. Fotografiere ich deshalb kein SW? Doch, und wie! Wegen des Prozesses. Once again: dazu später mehr unter "Der Prozess".


IR-Fotografie beim Gassigehen

Leica MP mit IR-Sperrfilter

Ilford SFX 200


Das Experiment


Was meine ich hiermit? Den Schluss zur digitalen Fotografie sehe ich bei so etwas, was Fuji liebenswerterweise "Rezepte" nennt. Also eine Interpretation der eingehenden Signale auf dem Sensor, die dann zu unterschiedlichen Farbwiedergaben und Darstellungen des Lichts führen, hoher Kontrast vs. kontrastarm, gesättigt vs. entsättigt, etc. Bei Film lässt sich das Thema noch weiter denken, erheblich weiter.


Da fängt es beim Film selbst an. Stand jetzt, es ist der 25.06.2025, habe ich 39 verschiedene Farbfilme (inkl. der vier Silbersalz-Filme) und 23 verschiedene SW-Filme ausprobiert. Uppsi, da hab ich aber schon den ein oder anderen Euro für Film in die Hand genommen 😂


Mit der Zeit sieht man hierbei, was einem gefällt oder auch nicht. Letzteres ist bei mir in Farbe zum Beispiel der Orwo NC 500. Vielleicht bin ich auch zu dusselig für den Film, also ähnlich wie für die 28mm-Brennweite 😅 Beim NC 500 gefallen mir die Farben so überhaupt garnicht. Klaro: Geschmackssache.... und um hier fair zu sein: die Bilder des NC 500 habe ich selbst entwickelt. Ich kann es also nicht ausschließen, dass ich das hier verkackt habe 😉 Wobei die Farbwiedergabe auch an anderer Stelle in die Richtung geht...


Leica MP

Orwo NC 500


Nun aber zu dem was gefällt!


Good news: Kodak Gold 200!


Den gibts in jedem DM und für einen Farbnegativfilm ist der halbwegs günstig. Es ist der Film, den ich bislang mit weitem Abstand am meisten geschossen habe. Er läuft zwar als "Consumerfilm" und ist damit kein Profifilm, wie beispielsweise ein Portra. Wenn es hell ist, also genug Licht da ist, sehe ich selbst keinen riesengroßen Unterschied zwischen den beiden Filmen. Nur im Portemonaie, denn der Gold kostet weniger als die Hälfte von 'nem Portra.


Dänemark

Leica M3

Kodak Gold 200


Zu einigen Filmen habe ich jeweils ein Bild in meiner Gallerie hochgeladen. Muss ich mal wieder aktualiseren, kann aber einen minikleinen Überblick geben: einmal klicken bitte


Wer es dann nicht nur etwas, sondern so ganz anders, haben möchte, der greift bei Soup-Film oder Lomography zu. Soup-Film habe ich zwar einen da, aber aufgrund des darauf befindlichen Warnhinweises "bitte nicht in Ihre gute Kamera packen" bislang nicht genutzt. Lomography - oder auch Revolog - bieten dann farbverschobene oder vorbelichtete Filme an. Ehrlich: find ich total geil. Muss man aber auch mögen 🙃 Hier mal eine Auswahl, was das so sein kann:


Kono Rotwild - ehrlich? so garnicht meins...

oder ich hatte nicht die richtigen Motive dazu!?


Lomography Turquoise - krass! Einfach nur KRASS


Lomography Purple - den mag ich sehr gern. ABER: muss schon dosiert, gut dosiert, genutzt werden.


Revolog Tesla 2 - Name ist Programm: Blitze auf den Bildern. Hier geht der Blitz passenderweise ins Auto.


Kono Liebe <3

den hatte ich extra zur Geburt unserer Tochter in der Leica MP


Zurück in die Realität...


Bei SW-Film ist es in meinen Augen vor allem die Frage, wieviel Kontrast ich in den Bildern haben möchte, die mich zum einen oder anderen Film bringt. Ganz persönlich finde ich den Washi Z ziemlich krass und einen richtigen Schwarz-Weiß-Film, also keinen "ich-habe-ganz-viele-Graustufen"-Film 😉


Hoek von Holland

Leica MP

Washi Z


Demgegenüber empfinde ich den Ilford FP4+ als sehr feinen Film. Wobei, der schärfste Film soll ja der Kodak TMax 100 sein. Der TMax ist einer der Filme, die noch auf meiner Bucketlist stehen.


Paris

Leica MP

Ilford FP4+


Ja, und dann, wenn man dann seinen SW-Film gefunden hat, jaaaaa, dann kann man noch das Fass der verschiedenen Entwickler aufmachen. Adox Rodinal, HC 110, Pyro,... Alle führen bei identischer Aufnahme zu unterschiedlichen Ergebnissen.


In diesem Sinne: viel Vergnügen beim Experimentieren ☺️


Surprise surpise

oder auch: abgelaufene Filme


Filme haben ein MHD und sind nicht für alle Ewigkeit haltbar. Anständige Lagerung, also vor Sonne geschützt und gut gekühlt, kann die Lebensdauer von Film erheblich verlängert werden. Wie bei Lebensmitteln auch.


Hey! Film ist ein Lebensmittel! Geht es euch nicht auch so? 😉🙃


Leica M3

Requa (exp. 1992)


Nun ist es so, dass abgelaufene Filme eine Überraschungskiste sind, es kann gut gehen diese zu belichten, kann aber auch ziemlich in die Hose gehen. Surprise surpise, das sieht man, wenn die Bilder da sind.


Oben ist ein Bild von meinem auf dem Spielplatz tobenden Sohn. Aufgenommen auf dem Film Requa 100. In meinem Fall ein Film aus dem Analogheld-Abo und bereits vor 33 Jahren abgelaufen 😅 Man sieht, dass etwas Kontrast fehlt und die Farben ein wenig wild sind, aber noch alles im Rahmen, sodass das Bild wie ich finde super zu gebrauchen ist.


Die Farben können dann aber auch schonmal in einen etwas kurioseren Look abdriften und wenn es hart auf hart kommt, kann man die Negative nach der Entwicklung gleich wegschmeißen.


als Erinnerung noch zu gebrauchen, da aus dem letzten Urlaub mit meiner Mutter... technisch: ein Graus

Leica MP

Kodak Ektar 125 (exp. 1992)


Der Throwback-Moment


Alle, die ihren Film selbst entwickeln, und das unmittelbar nach dem Fotografieren, können diesen Teil überspringen. Oder sollten gerade diese die folgenden Sätze erst Recht lesen 😎?


Vor gut zwei Wochen hatte ich neun Filme zu Tobi geschickt. Tobi aka urbanfilmlab-Tobi. Das Fotolabor meines Vertrauens. Tobi - und natürlich auch Fiederike - machen dort einen brutal guten Job! Ich hab eine Zeit lang Farbe und auch SW selbst entwickelt und auch digitalisiert. Un' jo, dafür, dass ich das gemacht hab waren die Ergebnisse auch cool. Nun hatte ich aber echt mal kein Bock neun Filme selbst zu digitalisieren. Geht zwar mit meiner Scanstation ganz flott, aber eine halbe Stunde ist man auch da inkl. Nacharbeit je Film beschäftigt. Dazu fehlte mir gerade die Zeit und auch die Lust. Gesagt getan, Tobi digitalisiert ja auch. Und da kam die Klatsche, die ich so nicht in Erinnerung hatte: meine Güte sind die Scans von ihm so viel besser als das, was ich da digitalisere. Krass! Genug der Lobeshymnen auf das urbanfilmlab. Darauf wollte ich eigentlich garnicht hinaus, hat sich im Moment einfach so ergeben 😘.


Worauf wollte ich hinaus? Also: Vor gut zwei Wochen hatte ich Tobi neun Filme geschickt. 7x Farbe in 35mm, 1x SW in 35mm und 1x Farbe in 120mm 😜 Kenner finden den Fehler in der Aufzählung...


Wie man sich lebhaft vorstellen kann, hat es doch einige Wochen gedauert, diese neun Filme zu füllen. Es war kein Urlaub, Projekt oder sonst was präsent, was schnell zu der Anzahl an Filmen führt.


Keine anderthalb Wochen, nachdem die Filme ans Lab gingen, kam eine E-Mail, die für viele von uns wie ein vorgezogenes Weihnachtsgeschenk ist:


Oh mein Gott - hurraaaaaaaaaaa 😍😍😍


Dann sieht man sich an, was man da fabriziert hat. Man erinnert sich, was man aufgenommen hat und hat den Throwback-Moment, in dem man in die Momente der Aufnahme zurückgeworfen wird. Da dies einige Wochen her ist, ist es nicht ganz in Vergessenheit geraten, was den Moment ausmachte, es ist aber eben auch nicht mehr präsent. Das führt zu einem ganz eigenen, gar eigenartigen Gefühl, dass man den Moment nochmal miterlebt. An die Hater, die analoge Fotografie belächeln:


Wie oft schafft das eure SD-Karte?


Der Prozess


Nachdem nun die Filme und das Ergebnis mehr oder minder totgequatscht wurden, steht ein weiterer und ganz, ganz wesentlicher Teil der analogen Fotografie im - Achtung fotografischer: Wortwitz - Fokus 😜 #onceagainsteuerberaterhumor


Mit dem Prozess meine ich nicht nur den nach den Aufnahmen, also der Entwicklung und wenn man es konsequent zu Ende denkt auch der Vergrößerung der Bilder. Der Prozess beginnt für mich schon mit dem in die Hand nehmen der Analogen (Kamera) und dem Einlegen des Films. Bei meinen Ms ist es das Öffnen der Bodenklappe, die hier noch ihre Daseinsberechtigung hat und dann das Einspule des Films. Bei der M3 mit einer Spule, in der das Ende des Films reingestopft wird, bei der MP mit ihrem Schnelleinlegemechanismus. Ein haptisches Erlebnis, das einem Bürohengst wie mir, regelrecht Glücksgefühle bereitet. Das Wissen, mich auf einen Typ Film mit seinen Eigenheiten und auf maximal 36 Bilder zu beschränken. Wobei 36 Bilder garnicht so wenig sind...


Und dann geht es los. Der Prozess des Fotografierens. Die Kamera geht zum Auge. Ist es das Motiv Wert aufgenommen zu werden? Ja. Framing? Passt. Spannhebel aufziehen (ja ja, bla bla, manche machen das auch vorher) und dann


KLACK 🤤


Dieses Auslösegeräusch, so völlig unterschiedlich zwischen M3 (knochentrocken) und MP (gedämpfter). Doch bei beiden: ein wesentlicher Bestandteil der Analogfotografie, der sie so sehr von der Digitalfotografie abhebt.


KLACK 🤤


Immer und immer wieder... Bis der Film dann voll ist. Hoffentlich! Nicht, dass der Film nicht richtig eingespult war und der Transport nicht erfolgte, sodass alle Aufnahmen futsch sind.... Ist mir glücklicherweise noch nicht passiert. Ich klopf dann mal auf Holz.


Dann wird zurückgespult. Ab mit dem Film in sein lichtdichtes Kanisterchen, sodass man guten Gewissens die Bodenplatte und den Rückdeckel öffnen kann. Bitte in dieser Reihenfolge. Mir ist es schon passiert, dass ich dachte ich hätte zurückgespult,... was dann eben nicht der Fall ist. Zum Glück: dabei gehen nicht alle Bilder verloren 😏


Hier hatte ich die Bodenplatte geöffnet, bevor der Film

zurückgespult war. Alles halb so schlimm ☺️


Wie gehts weiter? Easy as it is: selbst entwickeln und digitalisieren oder ins Labor schicken. Oder eben eine Mischung aus beidem, entwickeln lassen und selbst digitalisieren. Optionen, Optionen, Optionen. Steve Jobs mit seinem immer gleichen Rollkragenpulli hätten die vielen Optionen wohl genervt.


Gehen wir den Weg des Prozesses mal gemeinsam weiter und nicht die Faulpelz-Version übers Labor . Bei mir ging es im November 2023 mit der Entwicklung von SW-Film im heimischen Labor los, Anfang 2024 folgte die Farbentwicklung. Der Start 2023 war gelinde gesagt holpring und begann mit einem ziemlichen Fail und mittelschweren Wutausbruch, sodass die Dose auf dem folgenden Bild leider nicht mehr existiert 🙄😅 Mehr dazu: hier


lichtdichter Sack und Entwicklerdose, mehr braucht es neben

der Chemie nicht, um daheim Filme zu entwickeln


Los gehts: Film erstmal im lichtdichten Sack auf die Spule. Wenn das klappt: Chapeau! Das war der Grund meines Wutanfalls und der Anschaffung einer LabBox, also Film aufspulen für Dummies 😉 Goodie! Der Film ist nun lichtdicht verschlossen und es kann mit der Chemie losgehen. SW-Film wird regelmäßig bei 20 Grad entwickelt. Hier helfen allerlei Apps und Internetseiten, die richtige Film-Chemie-Temperatur-Kombi zu finden. Im Ergebnis ist die Entwicklung von SW-Film aber kein Akt und sehr gutmütig. Irgendwas brauchbares kommt also unter Garantie raus. Nun wird also geschüttelt, gedreht gerührt. Wie auch immer man den Martini halt mag. Next Step: Wässern. Die ersten Filme hatte ich jeweils eine Minute zwischengewässert. Mittlerweile bin ich bei 30 Sekunden angelangt. Reicht auch. Nun: Fixieren. Damit das entwickelte Bild wieder ans Tageslicht kann und bleibt, wie es sein soll. Aktuell nutze ich den Fixierer bei > 15 Filmen. Irgendwo hatte ich mal gelesen, dass der Fixierer bei bester Lagerung unendlich nutzbar sei. Keine Ahnung ob das richtig ist. Nach 20 Filmen werde ich sicherheitshalber neu ansetzen. Wässern, 30 Sekunden genügen jetzt 😅 Netzmittel nochmal für 30 Sekunden und dann geht es schon ins finale Wässern. Hier ist die Dose / LabBox auch offen. Nach dem Fixieren kann nichts mehr passieren.


Wenn ich die letzten Zeilen so lese, sollte ich mich mal ans Kuchen backen wagen. Es ist irgendwie arbeiten nach Rezept 🙃.


Then, magic happens: Schatten werden zu Bildern auf dem Negativ. Ein magischer Moment und für mich der krönende Abschluss des analogen Prozesses 🎞️😍.


Jaaaaaaa, es muss noch gescannt werden. Ein Schritt, der mir auf den Zeiger geht und den ich daher hier ignoriere...


Als wirklich allerletzter Schritt, nachdem die Bilder dann bereits den Weg in Lightroom gefunden haben, kommen die Negative noch in Hüllen, um diese für die nächste Generation aufzubewahren 👴🏻.


Man sieht doch recht deutlich, der analoge Prozess ist "etwas" weiter gefasst, als der bei digitaler Fotografie. Ob das was für einen ist, kann man nur selbst entscheiden. Gerade das Einlegen des Films und Spannen des Hebels gehören für mich untrennbar zur Analogfotografie und machen viel mit mir während der Fotografie.


I like ❤️


Die Szene


Wer kennt es nicht? Man blickt in seinen Instagram-Feed und sieht nur Menschen, die fotografieren, sei es als Hobby oder um damit das täglich’ Brot zu verdienen. Gefühlt hat jeder eine „richtige“ Kamera und beschäftigt sich intensiv mit der Fotografie, sei es technisch oder künstlerisch. Dazu fotografiert von dieser Menge die überwiegende Mehrheit mit Leica und / oder analog. Es kann also nur so sein, dass alles und jeder meine Leidenschaft teilt!


Tatsächlich?


Wohl kaum! 😅


Diesen Eindruck verschafft der Algorithmus, der mir das in meine Timeline und meinen Feed spielt, was ich gerne sehe.


Tatsächlich ist es doch so, dass Fotografie als ernsthaft betriebenes Hobby eher selten geworden ist. Schränkt man dann noch diese Blase auch jene ein, die mit Leica und dann auch noch analog fotografieren, so kennt man sich wohl schon fast immer beim Namen. Es ist die Blase in der Blase in der Blase. Herzlich Willkommen im Nieschendasein und der regelmäßigen Frage Dritter, ob es Film den noch zu kaufen gebe und ob es überhaupt noch Fotolabore gebe…


Und dieses Nieschendasein hat einen tollen Nebeneffekt: man kommt schnell und einfach mit den „Analogis“ ins Gespräch. Sei es im realen Leben, was im Erstkontakt eher selten ist. Man sieht ja schon kaum jemanden mit etwas anderem als dem Smartphone knipsen, erst recht nicht mit einer analogen Kamera. Der erste Kontakt erfolgt oft über die (a)sozialen Medien, hier - bei mir - vorrangig Instagram. Darauf aufbauend erfolgt dann aber nicht selten das Kennenlernen in real life 😊


Beim roten Punkt ist da der regelmäßige Treffpunkt natürlich, wie sollte es anders sein, der Leitz Park in Wetzlar. Pilgerstätte für viele Fotobegeisterte, egal welcher Hersteller verwendet wird. Hier verweise ich mal auf meinen Artikel zur Leica-Bubble (klick mich), um nicht zu sehr auszuschweifen. In der analogen, grundsätzlich markenunabhängigen, Fotografie finden sich nicht wenige über die ISO 400 Community zusammen. Eine Community, die über den namensgleichen Podcast von Arthur Lithau und Florian Hasubick ins Leben gerufen wurde und sich annähernd ausschließlich um die Analogfotografie dreht. Die Community findet hier vor allem im Discord statt, der somit eine „Microcommunity“ darstellt. Dort dreht sich alles um die analoge Fotowelt… und Kaffee ☕️ 😅 da geht es dann auch schonmal ans Eingemachte. Diskussionen und Fachsimpeln über verschiedene Filme, Entwickler und natürlich auch Gear stehen an der Tagesordnung. Für Laien wohl kaum (inhaltlich) verständlich, was da so gequatscht wird 🙂


treffen sich eine Rolleicord, eine Schraubleica, eine Hasselblad, zwei, drei Leica MP und eine Leica M6... kein Witz, keine Pointe 😉


Un' nu?


Gute Frage? Wofür die vielen Zeilen? Um mir selbst den Aufwand zu rechtfertigen, der mich regelmäßig zu einem technisch schlechteren Bild bringt? Vielleicht ein wenig. Vor allem aber ist mir beim Verfassen des Artikels eines ganz klar geworden, das ich immer wieder bei meiner Leidenschaft, der Fotografie, merke:


Mit Sinn und Verstand lässt sich das Ganze nur schwer begründen.


Es ist das Gefühl und die empfundene Wertigkeit für die Bilder, die auf Film gebannt sind.


Analogfotografie ist einfach so viel mehr als nur Auslösen und Bilder betrachten.


Es ist der Gipfel fotografischer Leidenschaft!







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